Fralichtspiele
[Von einem deutschen Korrespondenten]
DAs Bediirfnis nach grossem and berauschendem Theater 1st in Deutschland rapide gewaehsen. Was dent Volke in den Schauspielhausern geboten wurde, war mehr oder minder eine Kunst, die auf einen geschlossenen Raum beschrankt war, und dadurch auf die grossen Massen auch beschriinkt wirkte. Die Massenaufziige und Millionenparaden steigerten den Trieb von einer intensiven Kunst, dent Kennzeichen der Weimarer Republik, zu der extensiven Kunst der Freiluft- Theater, dent Symbol des Dritten Reiches.
Es ist durchaus verstandlich, class das alljahrliche Sommer- Theater von Nurnberg die Massen, trotz der imposanten Regie, und der prominenten Akteure auf die Dauer aNein nicht befriedigen kann. So wuchsen die " Open-Air " Theater beinahe fiber Naeht wie Pilze aus der Erde. Deutschland besitzt gegenwartig beinahe ein Vierteltausend Freilicht- Theater, von denen die von Frankfurt und Heidelberg nosh imnier die bekanntesten und interessantesten sind.
In Frankfurt, der Stadt Goethes, Barnes und Schopen- hauers, bildet der " Romer," Deutschland bedeutendstes Rathaus, die natiirliche Fassade fiir jene klassischen Stiicke, die schon an sich auf Massenwirkung berechnet waren. Also mit anderen Worten mehr Schiller als Goethe. Hier feierten Fiesko," jenes hochaktuelle VerschwOrer-Spektakelstiick und "Die Jungfrau von Orleans" mit ihrer ebenso aktuellen religiosen —Fiihrer "-Mystik wahre Triumphe. Besonders die " Jungfrau," die einen Kronungszug von tausend (!) Statisten anfiihrt, wie der Reiseprospekt riihmt, hatte trotz der volligen Zeit-und Ort-Fremdheit, einen grossen Erfolg. Auch der Faust," der auf zwei Podien gespielt wird, packt die Massen.
In Heidelberg warden Goethe, Hebbel und Shakespeare an erster Stelle gespielt. Der " Glitz von Berlichingen " ist hier das starkste Erlebnis, das durch das Spiel von Heinrich George zur gr6ssten Steigerung gebracht wird. Die grOsste Ruble Deutschlands und der grosste Iehspieler Deutschlands vereinigen sich hier in dent kraftgenialischen Jugendwerk Goethes, zu einem Akkord von Kraft und Leben, den Land- schaft, Luft und Licht zum Klinger bringen. In Hebbels Agnes Bernauer hat Herr Wilhelm von Scholz, der bekannte Verfasser von Denkgedichten und gereimten Aphorismen kurzer Hand die Textstellen aus gestrichenen Szenen anderen Personen in den Mund gelegt. So blieben Dichtung und Hintergrund dem Publikum verdunkelt, das sich dafiir an den Justizgritueln schadlos hielt. Shakespeare musste es sich gefallen lassen, dass seine " Komodie der Irrungen " in einen tollen Jahrmarl-ttrubel getaucht wurde, der scgar den Rahmen des Schlosshofes sprengte. So wurde es ein von Reinhardt, dem Griinder solcher Spektakelstiicke entlehntes Schaustilek, in dem die Pirouetten die Pointen toteten.
Heidelberg 1st filr Stil und Entwicklung des deutschen Freilichtspiels deswegen so wichtig, well es nicht nur die
afteste Universitat, sondern auch das iilteste Freiluft-Theater in seinem Schlosshof besitzt, wo large vor Reinhardt und Goebbels die buntbemiitzten Narren der Alma Mater ihre " Gaudeamus "-Scherze mit Zwerg Perkeo und dem Trom- peter von Siickingen ausfiihrten.
Nach den Freiluft-Vorstellungen von Lustgarten, Tempel- hoferfeld, Olympia und Nurnberg ist es mit dem Schluss der Sommerspielzeit notwendig, Bilanz zu ziehen.
Was die Werke betrifft, so liaben sich solche am besten bewahrt, die moglichst wenig auf das Wort gestellt sind, nicht in Innenraumen spielen, die Handlung langsam anwachsen und absinken lassen. Im Allgemeinen sind Shakespeares Werke gut geeignet, da ihre Dekorationen durch den Mund des Schauspielers erklOrt werden konnen.
Der Schauspieler muss mehr Alcrobat und KOrperkunstler rein als im Innentheater. Ubergrosse Deutlichkeit, viel Pausen, und immernach vorne sprechen, sind wichtig.
Die Regie muss die langen Wege zur Spielfläche vermeiden. Sie muss verstehen, mit Lichtwirkungen und Symbolen die Vorgiange zu unterstreichen oder zu untermalen. Einlsgen und Massenszenen sollen die Ermiidung des Zusehauers verhindern helfen.
Das Freilichtspiel in Deutschland ist ein wiehtiger Kultur- faktor geworden. Zustimmung und Ablehnung bieten einen Masstab, an dem man heute nicht nur den Stand der Kunst