22 FEBRUARY 1935, Page 15

Erfindung und Empfindung

[Von einem Deutschen Korrespondenten] Vott.einigen Tagen sind in Deutschland zwei Manner gestorben, deren Tod starker als in Hirer Heimat von der gesamten Kulturwelt als em n grosser Verlust empfunden wird.

Sonntag, den 3. Februar, an seinem 76. Geburtstag, starb bei Munchen der deutsche Erfinder Hugo Junkers.

Freitag, den 8. Februar, im 88. Lebensjalu., starb in Berlin der deutsche Maier Max Liebermann.

Ihr Leben und Sterben hat, auch jenseits der Kameradschaft des Todes, etwas gemeinsames. Denn beide batten im Leben schwer zu kampfen, um sich und ihr VVerk durchzusetzen. Beide starben, fast halb vergessen, am Rande des Dritten Reiehes, das fiir sic keinen Platz tibrig hatte. Betrachten wir ihren Werdegang, dean darn offenbart sich ein lebendiges Kapitel deutscher Geschichte.-

Hugo Junkers wurde am 3. Februar 1859 in Rheydt, einem kleinen rheinischen Industriestadtehen als Sohn eines Webereibesitzeers geboren. Er studierte Ingenieurwissen- schaft an den Technischen Hochschulen von Berlin, Karlsruhe und Aachen. Hier lehrte er als. Professor fiir Maschinenbau vierzehn Jahre lang. Vor und nach dieser Zeit organisierte Hugo Junkers in Dessau an der Elbe mehrere technisette Gesellschaften, von denen die Flugzeugwerke in und flack dem Kriege Deutschlands griisste Luftwaffenfabrik wurden. In drei Konflikten, deren erster im Krieg begann und deren letzter mit dem Konkurs der Junkers-Werke urn Vorjahre endete, versuchten Industrie und Armee den eigenwilligen und genialen Erfinder nieder zu konkurrieren. Schliesslich zog sich der Greis, " ungebeugt in seinem Schaffenswillen," vie die Hinterbliebenen nachdrficklicli in der Traueranzeige betonen, nach seinem Ruhesitz Gauting-bei Munchen zurack, um dort in Ruhe zu sterben. Die Zahl seiner Erfindungen geht in die tausende ; er halt als Inhaber von Patenten hier den Weltrekord. Es -seien nur das Ganzmetallflugzeug, der Doppelkolbenmotor, das Kalorimeter, die Gaskraftmaschine u.a. enviihnt. Hugo Junkers, dessen erste Firma, 1888 die Continental-Gas-Gesellschaft, mit englischem Gelde gegriindet wurde, verkaufte viele seiner Patent,e nach dem Ausland und richtet in vielen Landern, besonders in Russland und Siid- amerika, zahlreiche Zweigunternehmungen em. Seine Haupt- tatigkeit war die Serienfabrikation von Flugzeugen, von denen er alljahrlieh fiber 2000 herstellte. So tragen seine Geschopfe semen Namen buchstablich fiber die ganze Welt. -

Auch die Werke Max Liebermanns sind in der ganzen Welt bekannt. Nur im neuen Deutschland will man von ihnen nichts wissen, weil der alte Liebermann em n Jude war, als solcher lebte, schuf und start). Er war geboren am 20. Juli 1847 in Berlin, einige Monate vor Hindenburg, den er nur kurz fiberlebte. Vater Liebermann war Kattunfabrikant und Ness seinen Sohn nur ungem Kfinstler werden. Als Gymnasiast lernte dieser bei Steffeck, spliter bei Munkacsy und verOffentlichte als Zwanzigjahriger sein erstes Bild, einen " Weiblichen Studienkopf," der sich heute in Cambridge be- furdet. Ein kurzer Aufenthalt in Paris und Holland und ein paar Lehrjahre in Munchen folgen. 1885 geht er nach Berlin, ins vaterliehe Hans am Pariser Platz, dicht neben dem Brandenburger Tor und verlasst diese Statte nicht mehr bin zu seinem Tode. Hier und in seiner Villa am Wannsee, dem Berliner Vorort, entstehen die vielen hunderte seiner Bilder, die vielen tausende von Zeichnungen, die ihn, trotz des Widerstandes durch das Deutschland Kaiser VVilhelms, Generalfeldmarsehall Hindenburgs und Adolf Hitlers zum grossten und beriihmtesten deutsehen Maier machen. Der Sechzigjahrige wird Prasident der Preussischen Akademie der Kfinste, der Ffinfundaehzigjahrige muss sic, als "Art-und Volksfremder " verlassor. Nannte ihn schon 1888 ein Herr Rosenberg, damals Adolf, einen Belzebub der Malerei, einen Verherrlicher des Hasslichen, so pries ihn der deutsche Dichter Richard Dehmel 1908 als einen der "reiristen und deutschesten Kfinstler."

Max Liebermann schrieb eine kleine Studie " Erfindung und Empfmdung." In diesen beiden Worten sind Welt und Werk des deutschen Erfinders Hugo Junkers und des deutschen Kiinstlers Max Liebermann, der beiden grossen &Arne eines grossen Landes, wunderbar um.schlossen.

F. G.