Alt Heidelberg du feine. . . .
- [Von einem deutschen Korrespondenten]
ALT Heidelberg, du feine, du Stadt an Ehren reich, am Neckar und am Rheine kein' andre kommt dir gleich. . .
" Dem lebendigen Geist ! " So lautete bisher die Inschrift iiber dem neuen Universitatsgebaude von Heidelberg, das bekanntlich nach dem Kriege mit; amerikanischem Gelde errichtet wurde. Gleichfalls fiber dem Hauptportal stand eine Bronzefigur der Pallas Athene, der Gtittin der Weisheit.
Kurz vor dem Jubilaum der altesten deutschen Universitat wurden Galin und Inschrift entfernt. An Stelle der Minerva befindet sich nunmehr ein deutscher Bronzeadler. Die Widmung " Dem lebendigen Geist ! " heisst nunmehr " Dem deutschen Geist ! "
Diese Transsubstantiation des Geistes, diese erschiitternde Verwandlung vom " Lebendigen " zum " Deutschen " ware in jener Stadt, die der gute alte Dichter Viktor Scheffel als " Alt Heidelberg, du feine " angesprochen and unsterblich gemacht hatte, nicht moglich gewesen. Heute ist die Stadt am Neckar, in der die vielen hundert Generationen der Jugend zum ersten Male die vallige Einheit von Landschaft and Wissenschaft erlebten, ein Exerzierfeld far die braunen, griinen and schwarzen Garden der SA, SS and NS-SB.
Nenne den Namen Heidelberg irgendwo in der Welt und die Augen des altesten " Semesters " werden haler leuchten I Wer diesen Sommerakkord von Berg, Burg, Muss und. Wald einmal erlebt hat, der hat vom Hauche des Wunderhorns wie des Zupfgeigenhansels, Alfa und Omega der deutschen Romantik, etwas verspiirt. Wer auf den Spuren Holderlins durch das Stift Neuburg schritt, wer am K Gaigstuhl Arnims und Brentanos " Des Knaben Wunderhorn " las, wer die einsame Gestalt Stefan Georges den Wolfsbrunnenweg hinab wandeln sah, wer in einer vertritumten Sommernacht im Boot zu Zweit den Neckar hinab trieb, der weiss um die Siisse and Grosse deutscher Landschaft und Verklarung.
Ewig rauscht der Fluss, jahrhundertlang ragen die Triimmer von Deutschlands grosster Ruine, ftinfbundert-
fiinfzig Jahre alt ist die Ruperto Carolina, Deutschlands alteste Universitat, and drei Jahre lang wahret schon das Dritte Reich. bber Fluss, Burg und Aula, wehten drei Tage lang die Fahnen and Hoheitszeichen von Hitlers Deutschland and die griissten .Geisteshelden des Hakenkreuzes waren aufgeboten worden, urn den Vertretem von dreissig Nationen fiber deutschen Geist .und deutsche Kraft Bescheid zu sagen. Zwar hatte der Fiihrer mid Reichskanzler, dem Beispiel der englischen und franzosischen Universitaten- folgend, sich nur mit einem schriftlichen Gruss eingestellt. Zwar war Deutsch- lands zweitmachtigster Mann, General Goering, verhindert, da er in Hamburg dem siegreichen Derbypferd personlich dab"
blaue Band um den Hals legen musate. Zwar war such Rosenberg, der deutsche Vordenker, abwesend; aber dafiir
waren doch Frank, Goebbels, Krieck und Rust gekotruneni um sich zu " Dem Deutschen Geist " zu bekennen. Naeh dem ebenso schonen wie tiefsinnigen Motto von Dr. Beer : " Demonstrationen kann es in Heidelberg nicht geben. Dort muss die Existenz der deutschen Geistigkeit sichtbar werden, ohne dass sie sich selbst zur Schau stellt," haben alle Demonstranten und Schausteller sich als " Frontkampfer des Friedens " aufgefiihrt.
Was gab es nicht miles auf diesem Jahrmarkt des Geistes 1 Eine Ausstellung " Heidelberg, Vermachtnis and Aufgabe," eine Heldenehrung auf dem Bergfriedhof, auf dem der en. Reichskanzler and Reichsprasident der deutschen Republik, Friedrich Ebert, ruht, ein Empfang der Reichsregierung im Konigssaal durch Goebbels und Rust, drei Festvortrage der Herren Wacker, Krieck und Stein, dreiundvierzig Ehren- promotionen mit sorgfaltiger Umgehung Englands and Frankreichs, ein Feitbankett, ein Fackelzug, diverse Tanz- vorfiihrungen, ein Studentenscherz, eine internationale Hoch- schtilkonferenz und anderes mehr.
Die anwesenden Gitste des In- und Auslandes waren natiirlich begeistert. Waren sie doch Olympia-Fahrer des Geistes and von vornherein entschlossen, sich in dieser Gehirnkaserne so wohl als moglich zu ftihlen. Den Vogel ' schoss der Direktor der Wiener Universitat ab, der iiber das—" Festungsdreieck des deutschen Geistes : Heidelberg—. Wien—Prag " sprach.